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Vorbemerkung:
Unser Anlass "Blaues Band 2021" hat nicht stattgefunden. Wir haben daher unsere Blog-Tätigkeit für Sie intensiviert.
Unsere letzten 2 Beiträge der Reihe waren:
11. Steuernachfolge bei Übernahme eines Teilvermögens
12. Entwicklung der Schweizer Verrechnungssteuer – eine "Never Ending Story"?! …
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Braucht es die Holdinggesellschaft noch?
Herr Tüchtig und Herr Meier sind im Gespräch wegen der Übernahme von Herrn Meiers Unternehmen, welches unter dem Namen Innovation AG firmiert.
Die Innovation AG agierte bislang erfolgreich am Markt und hat über die letzten Jahre regelmässig einen Gewinn erzielt, welcher zumeist als Gewinnvortrag in der Gesellschaft belassen wurde. Die Innovation AG weist zudem massgebliche liquide Mittel aus, welche bei Bedarf im Rahmen einer Vorwärtsstrategie investiert werden können. Herr Meier stellt in Aussicht die Aktien der Innovation AG für CHF 3 Mio. zu veräussern.
Die Hausbank von Herrn Tüchtig offeriert die Hälfte des Kaufpreises, sprich CHF 1.5 Mio., zu finanzieren, wobei die zu erwerbenden Aktien zu verpfänden sind und das Darlehen zu einem Zinssatz von 4 % in den nächsten sieben Jahren zurückzuführen ist. Weitere CHF 1 Mio. kann Herr Tüchtig selbst aufbringen, so dass für den Kauf noch CHF 500'000 fehlen.
Herr Meier ist aber bereit die Kaufpreiszahlung im Umfang von CHF 500'000 gegen eine angemessene Verzinsung als Darlehen gegenüber dem Käufer stehen zu lassen, denn durch den Verkauf erwartet ihn ein schöner Gewinn, welcher nach seinem Treuhänder als steuerfreier Kapitalgewinn qualifiziert.
Unter diesen Gegebenheiten macht sich Herr Tüchtig darüber Gedanken, was er beim Kauf steuerlich berücksichtigen soll. Er hat grundsätzlich zwei Optionen um wirtschaftliches Eigentum an der Innovation AG zu erlangen. Einerseits kann er die Innovation AG direkt als Privatperson erwerben und auch das Darlehen privat aufnehmen (Variante 1). Andererseits besteht die Möglichkeit die Innovation AG über eine noch zu gründende Erwerbs AG zu kaufen, welche den Bankkredit aufnimmt (Variante 2).
Bei einem Kauf durch die Erwerbs AG als Holdinggesellschaft (Variante 2) können die prognostizierten Gewinne der Tochter (Innovation AG) von rund CHF 250'000 nach deren Ausschüttung an die Mutter (Erwerbs AG) praktisch vollumfänglich zur Verzinsung und Rückzahlung des Bankdarlehens verwendet werden. Der Vorteil ergibt sich daraus, dass die Ausschüttungen aufgrund der Beteiligungsabzuges (Bund und Kanton) steuerfrei sind.
Demgegenüber müsste Herr Tüchtig als direkt erwerbender Eigentümer (Variante 1) die Dividende zu einem grossen Teil als Einkommen versteuern (Teilbesteuerungsverfahren im Bund 70%, bspw. Basel-Stadt 80%) und insofern könnte auch das Darlehen nicht im gleichen Mass wie bei der "Holding" (Variante 1) zurückgeführt werden.
Allerdings muss beim Kauf über eine Erwerbs AG auch beachtet werden, dass die vor dem Erwerb schon bestehenden Reserven (Gewinnvorträge) zunächst nicht ausgeschüttet werden, ansonsten der steuerfreie Kapitalgewinn von Herrn Meier (teilweise) in Einkommen umqualifiziert werden kann – dem Steuerrechtler ist diese Thematik unter dem Begriff "indirekte Teilliquidation" bekannt. Nach einer Mindesthaltedauer von fünf Jahren darf dann auf diese ursprünglichen Reserven gegriffen werden, etwa um damit die verbleibende Darlehensschuld zu tilgen.
Auch könnte über eine Fusion der Erwerbs AG mit der Innovation AG (nach Ablauf der 5-jährigen Haltedauer) bilanztechnisch bewirkt werden, dass die noch bestehende Darlehensschuld (Annahme: CHF 300’000) durch die Fusion von der nun fusionierten Gesellschaft und damit im Ergebnis von der (vorherigen) Innovativ AG übernommen wird (sogenannter "debt push-down"). Aus bilanzmässiger Betrachtung bewirkt die Verschmelzung der Bilanzen nämlich, dass passivseitig die Darlehensschuld bestehen bleibt, während aktivseitig "die Beteiligung an der Innovativ AG" wegfällt (Ersatz durch die Aktiven/Passiven der Innovativ AG selbst). Über beide Gesellschaften betrachtet, fällt das Verhältnis der Passiven zu den Aktiven nun höher aus als vor der Fusion. Dieser Effekt führt dazu, dass zukünftig weniger "steuerbarer" Gewinn in der fusionierten Gesellschaft ausgewiesen wird, was sehr attraktiv ist. Die noch verbleibenden Schuldzinsen können nun auch direkt von der operativ tätigen Gesellschaft gezahlt werden (geschäftsmässig begründeter Aufwand), womit die Schuldzinsen direkt den "steuerbaren" Gewinn schmälern.
Mit der Fusion fällt schliesslich auch die (nicht mehrbenötigte) doppelstöckige Struktur (Mutter-Tochter), was von Vorteil sein kann, denn eine zusätzliche Struktur kostet Verwaltungsaufwand und verursacht grundsätzlich mehr Kapitalsteuern.
Wie veranschaulicht wurde, ist die Holding noch immer von erheblichem Nutzen und lebt weiter.